Anders als in der traditionellen westlichen (Kunst-) Musiktradition, in der Komponisten 
und Interpreten autonome Verantwortungsbereiche übernehmen, vollzieht sich beim 
Improvisator die Dualität von Strukturstifter und Struktursender. 
In seiner Vielfalt umfasst improvisierte Musik dabei sowohl Spielhaltungen, in denen 
Komponisten -- hier weniger Urheber als vielmehr Impulsgeber -- rahmenabsteckendes 
Material einbringen, als auch die offene Form, die auf Vorgaben gänzlich verzicht. 
In der Absicht, "sinnvolle" musikalische Gestalten intuitiv zu generieren, stellen die jeweils 
beteiligten Instrumentalisten ihre ganz spezifische künstlerische Identität, ihr sie individuell 
auszeichnendes Vokabular zur Verfügung und treten damit in einen partnerschaftlichen 
Austausch mit ihrer Umgebung.
Dass das Tun hier nicht mit Beliebigkeit aufgeladen werden soll, sondern es vielmehr 
darum gehen muss, trotz potentiell unterschiedlicher ästhetischer Ausgangshaltungen, 
nach dem gemeinsamen "Spirit" und somit nach musikalischer Bestimmtheit zu suchen, 
setzt voraus, dass die Akteure in der Lage sind, Handlungsrealität in Echtzeit zu analy-
sieren, hieraus ad hoc Rückschlüsse zu ziehen, um sodann adäquat und zeitnah zu 
(re)agieren -- in einem erweiterten Sinne durchaus mit den Erfordernissen vergleichbar, 
die die modernen, pluralistischen Gesellschaften in zunehmendem Maße von all ihren 
Mitgliedern im Hinblick auf deren Schlüsselkompetenzen einklagen. 
In einer Welt voller Unwägbarkeiten und ungesicherter Zukunftsperspektiven nährt die 
improvisierte Musik somit die Vorstellung, dass die Flexibilitätsansprüche an den Menschen 
zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht zwangsläufig Verunsicherung und Ängste auslösen 
müssen, sondern dass ihnen auch das Potential zu Dialog und Schönheit innewohnt.
Jeder Mensch ist ein Improvisator.